New Work in der Wohnungswirtschaft
New Work – viele, die diesen Begriff hören, verbinden damit Hipster und Loungemöbel. Doch wie lassen sich alternative Arbeitsmodelle und -formen in traditionsreichen Wohnungsunternehmen umsetzen. Welchen Nutzen können diese daraus ziehen? Dr. Simone Planinsek ist Fachbereichsleiterin für Projekte und Innovationen bei der Nassauischen Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (NHW), Frankfurt am Main. Sie steht zudem der Innovationsschmiede "hubitation" vor, die die langjährigen Erfahrungen der Wohnungswirtschaft mit den innovativen Ideen von Startups zusammenbringt. Der vbw sprach mit ihr über ihre Erfahrungen mit der Einführung von New Work und die Chancen, die sich für Wohnungsunternehmen dadurch ergeben.
Was ist für Sie "New Work"?
Im Kern geht es darum, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum man zukünftig noch ins Büro gehen sollte, um seine Arbeit zu machen. Beschäftigte hinterfragen heute Rahmenbedingungen, die früher als selbstverständlich galten: Was kann ich im Büro erledigen, das ich zuhause nicht machen kann? Was ist der Mehrwert für mich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter? Der Blick auf das Büro als Arbeitsort hat sich komplett verändert. Es geht nicht mehr nur darum, ob wir in einem Einzel- oder Großraumbüro sitzen, sondern um verschiedene Arten der Kollaboration. Wir treffen uns zur gemeinsamem Projektarbeit und profitieren von der Vielfalt der Gemeinschaft, was sich in bereits bekannten Begriffen wie Coworking-Spaces oder Community-Spaces manifestiert hat. Heute braucht es unterschiedliche Arbeitswelten für verschiedene Arbeitssituationen. Ich arbeite in der Sofalandschaft kreativer, manchmal brauche ich aber auch einen Rückzugsort für Stillarbeit. Jungen Kolleginnen und Kollegen ist auch die Ästhetik wichtig: Sie wollen nicht mehr in den grauen Plastikmöbeln der 1990er Jahre arbeiten – wohnliche Büros mit edlen, natürlichen Materialien sind im Trend. Wohlfühlen und Arbeiten gehören heute zusammen.
Dr. Simone Planinsek
Fachbereichsleiterin für Projekte und Innovationen bei der Nassauischen Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH
Was sind die Chancen von "New Work" für die Unternehmen der Wohnungswirtschaft? Passt das überhaupt zusammen – konservative Wohnungsunternehmen und hippe New Work-Welt?
Die Frage ist doch, ob New Work einfach nur hip ist oder eine Grundlage für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Darauf muss sich jedes Unternehmen, egal aus welcher Branche, selbst eine Antwort geben. New Work ist auch kein Terminus technicus, also kein feststehender Begriff, unter dem alle das gleiche verstehen, sondern eher eine Einstellung, ein Lifestyle. Das gleiche gilt für Innovationen. Für unsere Branche sind manche Themen und Lösungen innovativ, über die in anderen Branchen nur müde gelächelt wird. Gleichzeitig bearbeitet die Wohnungswirtschaft aber nicht nur konservative Themen, sondern auch gesellschaftlich wichtige Fragen über das zukünftige Zusammenleben und Wohnen. Was uns in der Wohnungswirtschaft eint: Alle Unternehmen haben eine gemeinsame große Herausforderung. Um dem Fachkräftemangel begegnen zu können, müssen wir als Arbeitgeber attraktiver werden. Und die Generation, aus der wir unsere Fachkräfte generieren möchten, hat eben andere Anforderungen an Arbeit.
Der vbw ist hubitation-Partner und will die frischen Ideen von jungen Unternehmen mit der Erfahrung etablierter Wohnungsunternehmen zusammenbringen. "Die Wohnungswirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Doch nicht nur Wohnen muss an die Bedürfnisse der Zukunft angepasst werden, auch die Unternehmenskultur muss offen sein für Neues, damit Chancen genutzt werden können", so vbw-Verbandsdirektorin Dr. Iris Beuerle. Sie ist hubitation-Mentorin und steht jungen Startups mit ihrer Branchenkenntnis als Gesprächspartnerin zur Verfügung.
Wie gehen Sie die New-Work Transformation bei der NHW an?
Wie auch bei anderen Unternehmen betrifft die Transformation unterschiedliche Bereiche gleichzeitig. Natürlich ist die IT in Fragen der Digitalisierung federführend, eingebunden sind aber auch das Facilitymanagement und die Personalabteilung. Den strategischen Überbau gibt selbstverständlich unsere Geschäftsführung vor. All diese Bereiche vernetzen wir gerade. Die Corona-Pandemie hat den Transformations-Prozess jedoch beschleunigt, ein Großteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet seit einem Jahr mobil. Vor kurzem haben wir dazu eine Umfrage gestartet und gefragt, wie sie sich ihre Arbeit in Zukunft vorstellen. Klar ist schon mal: Nach Corona wird nichts mehr wie vorher sein, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen es möglich ist, werden künftig mehrere Tage in der Woche mobil arbeiten.
Welche Voraussetzungen mussten geschaffen werden? Welche Widerstände mussten Sie überwinden?
Bei unserer Belegschaft besteht eine große Offenheit was mobiles Arbeiten angeht. Natürlich müssen wir auch diejenigen mitnehmen, die sich an ihrem festen Arbeitsplatz im Büro eingerichtet haben und sich dort wohlfühlen. Was uns in der Corona-Pandemie überrascht hat: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dem Thema zunächst ablehnend gegenüberstanden und durch die Pandemie gezwungen waren, von Zuhause zu arbeiten, haben uns zurückgemeldet, dass sie doch ganz zufrieden damit sind und sich in Zukunft auch vorstellen können, einen Teil ihrer Arbeit mobil zu erledigen.
Welche Benefits konnte die NHW schon aus New Work generieren?
Wir stehen noch am Anfang eines langen Weges. In einer ersten Stufe haben wir versucht, mehr Flexibilität für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermöglichen, etwa indem wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Beruf und Pflege eines Angehörigen verbessert haben. Gleichzeitig hat unsere IT dafür gesorgt, Hardware und Anwendungen für ein flexibleres Arbeiten zu beschaffen. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, neue Formen der Zusammenarbeit und neue Arbeitsweisen kennenzulernen und die Büroräumlichkeiten neu zu gestalten. Wir wollen zukünftig als Arbeitgeber auch für potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv sein, die wir bisher etwa wegen einer räumlichen Entfernung nicht auf dem Plan hatten, die also zum Beispiel in Berlin zuhause sind und auch weiterhin dort leben möchten. Viele Benefits werden sich zudem erst langfristig einstellen, etwa die Möglichkeiten, Büroflächen zu sparen oder unsere Gebäude wirtschaftlicher betreiben zu können.
Welche Rolle spielen Startups bei der Transformation?
Unsere Startups, mit denen wir über hubitation zusammenarbeiten, bringen sehr wichtige Impulse in ganz verschiedene Themenbereiche ein. Die sind natürlich weiter, jünger, flexibler als wir. Die meisten arbeiten schon längst im Coworking-Space, die Nutzung von Kollaborationsplattformen und digitalen Tools ist sozusagen Teil ihrer DNA.
Wie beeinflusst New Work das Geschäftsmodell der wohnungswirtschaftlichen Unternehmen?
Auch die Bedürfnisse der Mieter und Mieterinnen verändern sich: Viele arbeiten ebenfalls vermehrt im Home-Office, damit steigt auch die Nachfrage nach größeren Wohnungen. Auch die Frage nach schnellen Internetverbindungen in den Wohnungen spielt eine größere Rolle. Smart-Home-Lösungen werden immer mehr angefragt und uns erreichen auch Anfragen, ob ein Coworking-Space in der Nähe sei. Darin könnte ein Geschäftsmodell liegen: Wohnungsunternehmen, die Coworking-Spaces anbieten!
Die Corona-Epidemie hat die Einführung vieler neuer Arbeitsformen beschleunigt. Stichwort: mobiles Arbeiten, Desksharing, etc. Ist nach Corona ein Zurück zum alten Normal wieder wünschenswert und überhaupt möglich?
Nein, hier haben auch einige Unternehmen, die das Rad zurückdrehen wollten, bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Das würde eine große Frustration bei den Beschäftigten auslösen. Sie haben während der CoronaPandemie extrem flexibel reagiert und sich auf die neue Situation ohne Widerstände eingestellt. Das kann man ihnen jetzt nicht einfach wegnehmen. Das Argument, mobiles Arbeiten funktioniere nicht, ist hinfällig.
Das Interview wurde für das vbw-Magazin 2/21 mit dem Schwerpunkt "Personalentwicklung und New Work" geführt. Das ganze Ausgabe finden Sie hier.