An einem Strang ziehen
Auf dem Weg zum Imageträger: Das Quartier Mainhöhe in Kelsterbach belegt eindrucksvoll, was erreicht werden kann, wenn Hand in Hand an einer gemeinsamen Vision gearbeitet wird.
Ob Stadtentwicklung, Modernisierung, Immobilienmanagement oder Neubau: Bereits seit 2015 ist die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) mit verschiedenen ihrer Unternehmensbereiche in dem rund zwölf Hektar großen Stadtteil im Südwesten der Kommune aktiv. Gezielt kann Hessens größtes Wohnungsunternehmen bei dieser sozialen und energetischen Quartiersentwicklung sein gebündeltes, interdisziplinäres Know-how einbringen – stets in enger Kooperation mit den jeweils zuständigen Stellen der Stadt Kelsterbach. Mittlerweile hat sich das Viertel, ehemals eine typische Randlage, zum lebendigen Lebensmittelpunkt gewandelt. Wir beleuchten einige Meilensteine dieser richtungsweisenden Transformation.
Das Wohngebiet, das damals noch „An der Niederhölle“ hieß, hatte lange Zeit mit seinem Ruf zu kämpfen. Treffpunkte fehlten, es gab keine Bewegungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten, außerhalb der Wohnungen fand kaum Leben statt. Die Gebäude selbst, überwiegend in den 1950er und 1960er Jahren errichtet, wiesen einen hohen Sanierungsbedarf auf. Der Weg zum modernen, lebenswerten und vielfältigen Stadtteil begann 2014 mit der Aufnahme in eines der erfolgreichsten Städtebauförderprogramme Deutschlands: „Soziale Stadt“ – heute „Sozialer Zusammenhalt“. Dessen Ziel war und ist es, bauliche, wirtschaftliche und soziale Maßnahmen im Sinne einer positiven Entwicklung im Quartier zusammenzuführen.
Das A und O: Bürgerbeteiligung
Nach einem europäischen Vergabeverfahren wurde die ProjektStadt, Stadtentwicklungsmarke der NHW, im Sommer 2015 mit der Erarbeitung eines Integrierten Handlungskonzeptes (IHK) und dem Quartiersmanagement beauftragt. Neben Verkehr und Mobilität, Bevölkerungsentwicklung, sozialer Infrastruktur und lokaler Wirtschaft widmete sich die Ausarbeitung auch den Themen Umwelt und Energie. „Die Integrierte Stadtentwicklung des Konzerns hat einmal mehr den Weg für eine ambitionierte Wohnungsbebauung in einer kontinuierlich prosperierenden Stadt Hessens geebnet. Wir entwickeln nicht nur die Infrastruktur für das gute Leben in der Kommune, sondern bereiten auch den Boden für bezahlbares Wohnen“, erläuterte Marion Schmitz-Stadtfeld, Leiterin Integrierte Stadtentwicklung | ProjektStadt, damals. Ein Stadtteilbeirat aus Anwohnern sowie Vertretern von Politik und Wohnungswirtschaft wurde gegründet. Er begleitet den Prozess. Aber nicht nur aus diesem Kreis kamen Anregungen – eine erste Bürgerbefragung hatte schnell weitere Bedarfe ermittelt. Alle Punkte flossen in das IHK ein, das seit Frühjahr 2016 sukzessive umgesetzt wird.
Ganz oben auf der Agenda: das Schaffen von Gemeinschaftsräumen zum Austausch. Daher zählte der Bürgertreff „Mainhöhe“, der im November 2016 an seinem ersten Standort eröffnet wurde, zu den wichtigsten Bausteinen der ersten Maßnahmen. Das in hochwertiger Modulbauweise errichtete Gebäude ist seitdem für Anwohnerinnen und Anwohner eine beliebte Anlaufstelle – insbesondere für Familien mit Kindern. Neben Bastelnachmittagen und Spielplatztreffs finden dort auch niedrigschwellige Sprachkurse statt.
Ebenfalls 2016 startete die ProjektStadt eine identitätsstiftende Imagekampagne. Ein neuer Name für die „Niederhölle“ sollte bestehende Vorurteile aufbrechen, die negative Konnotation beseitigen und die Neuorientierung des Stadtteils widerspiegeln. Zu diesem Zweck bildete sich erneut eine Arbeitsgruppe aus den bekannten Akteuren sowie Vereinen vor Ort. Die neue Wort-Bild-Marke „Mainhöhe“ entstand. Offiziell umbenannt wurde das Quartier 2017. Im August desselben Jahres fand auch das erste Sommer-Picknick rum um den Bürgertreff statt, zu dem das Quartiersmanagement und die Stadt eingeladen hatten. Seitdem fördert es als feste Institution den kulturellen Austausch, belebt die Nachbarschaft und stärkt das Wir-Gefühl.
Wir entwickeln nicht nur die Infrastruktur für das gute Leben in der Kommune, sondern bereiten auch den Boden für bezahlbares Wohnen.
Neue Horizonte – für alle
Vorgestellt wurde beim Sommer-Picknick auch das Forschungsprojekt SuPraStadt. Im Reallabor Kelsterbach analysieren Wissenschaftler, wie sich die Bedürfnisse von Bewohnerinnen und Bewohnern in den Handlungsfeldern Mobilität, Konsum und Ernährung mit den ökologischen Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang bringen lassen. Vor allem Mitmachaktionen stehen dabei im Fokus: Alternative Verkehrsmittel testen, saisonal und regional einkaufen und kochen oder Gebrauchsgegenstände reparieren, anstatt sie voreilig zu entsorgen. Interessierte können so neue Methoden ausprobieren, die nachhaltige Verhaltensweisen im Alltag fördern. Alle Aktivitäten werden vom Fachbereich Integrierte Stadtentwicklung der ProjektStadt geplant, vorbereitet, koordiniert und durchgeführt. Empirisch begleitet wird das Projekt vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). Bislang haben die Initiatoren bereits eine ganze Reihe unterschiedlicher Aktionen auf die Beine gestellt – darunter etwa Aktivitäten rund ums Radfahren wie Fahrrad-Werkstätten und -Touren. Auch Online-Angebote kommen zum Einsatz: In einem digitalen Kochbuch wurden Lieblingsrezepte der Bewohner:innen gesammelt und später gemeinsam nachgekocht. Ratespiele zu den einzelnen Handlungsfeldern komplettieren das Programm. „Damit möchten wir für einen geringeren Rohstoff- und Energieverbrauch sensibilisieren und einfache Schritte und Wege für einen verantwortungsbewussteren Umgang mit Ressourcen aufzeigen“, erklärt Projektleiter Nicolas Traut. Positive Rückmeldung erhielt das Projekt auch seitens der Landespolitik: Landtagsabgeordnete Kerstin Geis besuchte das Quartier bereits mehrmals und zeigte sich von den Maßnahmen beeindruckt.
Das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ fördert aber nicht nur das Miteinander, sondern auch bauliche Maßnahmen, die die Lebensqualität im Quartier erhöhen. Gemeinsam haben die ProjektStadt und die Kommune das Mainufer in Kelsterbach umgestaltet. Früher mussten die Bewohnerinnen und Bewohner weite Umwege auf sich nehmen, um zum Naherholungsgebiet zu gelangen. Dank zweier neu geschaffener Wegeverbindungen ist das Wohngebiet nun barrierefrei direkt an das Hafengelände und an den Radweg Frankfurt-Mainz angeschlossen. Gefahrenstellen wurden beseitigt, die Fahrbahn verbreitert, ein Zugang in Höhe der Rüsselsheimer Straße 155 errichtet – alles inklusive neuer Beleuchtung. Optimal integriert wurde die historische Bastion, die heute als Treff- und Aussichtspunkt dient.
Mit dem Projekt SuPraStadt möchten wir für einen geringeren Rohstoff- und Energieverbrauch sensibilisieren und einfache Schritte und Wege für einen verantwortungsbewussteren Umgang mit Ressourcen aufzeigen.
160 Wohnungen vollmodernisiert
Viel getan hat sich in baulicher Hinsicht in den letzten sieben Jahren auch an anderen Stellen im Quartier. Seit 2015 hat die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt auf der Mainhöhe sieben Gebäude mit insgesamt 160 Wohnungen vollmodernisiert – sie erreichen nun Energie-Effizienzhaus-Standard 85. Fassaden, Dächer und Kellergeschosse wurden gedämmt, sämtliche Fenster und Sanitäranlagen in Bädern und Küchen erneuert. Besonders effi zient arbeitet die neue Energiezentrale, die das ganze Wohngebiet mit Nahwärme versorgt. Das über ein Contracting-Modell in Kooperation mit dem regionalen Energieversorger Süwag errichtete Blockheizkraftwerk produziert nicht nur den Löwenanteil der nötigen Wärme, sondern auch Mieterstrom, den die Bewohnerinnen und Bewohner zu günstigen Tarifen beziehen können. Robert Lotz, zuständiger Leiter des Fachbereichs Modernisierung, rechnet vor: „Der Energiestandard der Gebäude lag bei weit über 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Durch die Modernisierung sinkt er auf 60.“ Das überzeugte auch die Fachjury des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) beim Wettbewerb „CO2-Einsparung – innovativ und wirtschaftlich“. Das Gremium bewertete den Beitrag zum Quartier „Auf der Mainhöhe“ als „besonders erfolgreichen, schon heute in der Praxis funktionierenden und innovativen Ansatz zur CO2-Einsparung“. Als einer von fünf Beiträgen wurde das Projekt beim „Tag der Immobilienwirtschaft“ im Juni 2018 von Tobias Bundschuh, Leiter des NHWServicecenters Wiesbaden, in Berlin vorgestellt. „Diese Auszeichnung haben wir nicht ohne Grund erhalten“, so Lotz weiter. „Die Herausforderung bei dieser Modernisierung lag darin, wirklich sehr, sehr viele Komponenten gleichermaßen zu berücksichtigen."
Herausfordernd waren die letzten Jahre oftmals auch für Tobias Bundschuh. Da auch in den Wohnungen gearbeitet wurde, mussten die betroffenen Mieterinnen und Mieter diese für einen gewissen Zeitraum verlassen. „Wir haben intensive Gespräche geführt und sind auf die Bedürfnisse unserer Mieter eingegangen“, erklärt der Servicecenterleiter. „Letztendlich konnten wir allen eine individuelle Lösung anbieten und fast allen eine Ersatzwohnung zur Verfügung stellen.“ Parallel zur Vollmodernisierung hat die NHW seit Herbst 2017 auch ein Freifl ächenkonzept mit Gestaltungsleitbild umgesetzt. Der Außenbereich wurde neu und barrierefrei geordnet, ein Spielplatz für Kleinkinder mit Treff- und Aufenthaltsraum für alle ist entstanden. Bäume, Rasen, Sitzbänke und Spielgeräte laden nun zum Toben und Verweilen ein. Die Grünfl äche grenzt unmittelbar an den neuen Standort des Bürgertreffs, dessen Fassade gemeinsam mit Kindern, Jugendlichen und dem ortsansässigen Graffi tikünstler Jens Jansen bunt besprayt wurde. Feierlich eröffnet wurde die Gemeinschaftseinrichtung im Mai 2022.
Umweltfreundlich unterwegs
Das Gesamtkonzept sieht zudem vor, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Mainhöhe bequem auf alternative Verkehrsmittel umsteigen können. Für Carsharing steht im Quartier ein von stadtmobil betriebenes Elektrofahrzeug bereit. Eine Ladestation mit zwei E-Lastenrädern hat die NHW ebenfalls in Betrieb genommen – gemeinsam mit dem Darmstädter Anbieter sigo. Außerdem stellt das Wohnungsunternehmen sichere Fahrradboxen zur Verfügung. „Die Leute hier haben ihre Mobilitätsroutine auf das Auto ausgerichtet“, weiß Ulrich Albersmeyer, Leiter des NHWRegionalcenters Wiesbaden. „Wir wissen aus Erfahrung, dass es etwa zwei Jahre braucht, bis sich die Menschen mit dem Thema auseinandersetzen.“ Um das Angebot vor Ort noch stärker zu promoten, hat das Designinstitut für Mobilität und Logistik der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach zusammen mit der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden einen studentischen Wettbewerb durchgeführt. Das Ziel dieses gemeinsamen Förderprojektes mit der NHW: spielerisch über alternative Verkehrsmittel informieren und zum Umsatteln ermuntern.
Es ist wichtig, dass auf dem Gebiet der kommunalen Bürgerbeteiligung zeitgemäße Herangehensweisen gewagt werden. Sie setzen neue Anreize und bewegen zukünftig noch mehr Menschen zur Mitwirkung an gesellschaftlich relevanten Entscheidungen vor ihrer Tür.
237 neue Wohnungen und eine Kita
Anwohnerinnen und Anwohner der Mainhöhe, die dennoch nicht auf ihr Auto verzichten möchten, können zukünftig einen der 242 Stellplätze in der neuen Tiefgarage anmieten, die derzeit in der Rüsselsheimer Straße entsteht. Dort baut die NHW 237 moderne Wohnungen – 77 davon gefördert – und eine sechsgruppige, 1.100 Quadratmeter große Kita. Der Grundstein wurde im September letzten Jahres gelegt. Ersetzt werden an dieser Stelle 86 in die Jahre gekommene Bestandswohnungen, die größtenteils noch mit Öleinzelheizungen, Kohlebadöfen oder Elektro-Warmwasserspeichern ausgestattet waren. Mit dem Neubau verdreifacht sich die Zahl der Wohnungen, die Wohnfläche wird sich sogar vervierfachen. Insgesamt investiert die NHW rund 70 Millionen Euro in das Projekt. Das Land Hessen steuert etwa 14 Millionen Euro bei, die Stadt Kelsterbach beteiligt sich mit circa 1,5 Millionen Euro. Für Bürgermeister Manfred Ockel ist das Projekt enorm wichtig für die Kommune. „Der Wohnungsdruck ist auch in Kelsterbach hoch. Mit diesem Neubauprojekt – übrigens dem größten in der Geschichte der Stadt – trägt die NHW dazu bei, diesen Druck zu lindern. Darüber hinaus leistet sie einen wertvollen Beitrag zur positiven Quartiersentwicklung und städtebaulichen Aufwertung des Areals am Mainufer.“ Dank der sehr guten Zusammenarbeit zwischen Stadt und NHW sowie der Unterstützung des Ausländerbeirats konnten auch hier alle Mieterinnen und Mieter der alten Wohnungen mit einer neuen Bleibe versorgt werden. Eine von Beginn an intensive und offene Kommunikation hat auch in diesem Fall für einen reibungslosen Ablauf gesorgt.
Auch in den nächsten Jahren werden weitere Maßnahmen umgesetzt. „Besonders anschaulich werden die Veränderungen in unserem virtuellen 3D-Stadtteilmodell der Mainhöhe“, erläutert Nicolas Traut, Projektleiter Integrierte Stadtentwicklung | ProjektStadt. „Mit YourVoice haben wir bundesweit die erste Web-Applikation entwickelt, die interaktive Beteiligungs- und Aktivierungsprozesse in den digitalen Raum verlagert. Damit machen wir Stadtentwicklung vorstell- und erlebbar.“ Neben Fotos, die die bisherigen Entwicklungsschritte auf der Mainhöhe dokumentieren, können geplante Projekte zur Verbesserung des Wohnumfelds in Echtzeit erlebt, interaktiv bewertet oder diskutiert werden. Durch das Verlagern in den digitalen Raum erhöht sich die Reichweite, da sich mehr Interessierte zeit- und ortsunabhängig einbringen können. „Es ist wichtig, dass auf dem Gebiet der kommunalen Bürgerbeteiligung zeitgemäße Herangehensweisen gewagt werden. Sie setzen neue Anreize und bewegen zukünftig noch mehr Menschen zur Mitwirkung an gesellschaftlich relevanten Entscheidungen vor ihrer Tür", so Bürgermeister Ockel.