Neue Wohnungen auf ehemaligem Fabrikgelände
Stadt Bürstadt will Industriebrache „Oli II“ aufwerten und Innenstadtentwicklung vorantreiben / Förderung durch EU- und Landesmittel / Nächster Schritt: Abschluss des europaweiten Vergabeverfahrens für die Ingenieurleistungen
Bürstadt – Fleckig braune Kacheln am Sockel, lindgrüner Anstrich, an dem der Zahn der Zeit genagt hat, rostige Gitter an den Fenstern. Dahinter Betonträger, die ins Nirgendwo ragen, bröckelige Wände – die frühere Topfwarenfabrik Otto Limburg in Bürstadt hat schon bessere Tage gesehen. Das Grundstück, auf dem einst Edelstahltöpfe produziert wurden, liegt seit mehr als 30 Jahren brach. Schadstoffe im Boden verhinderten bislang, dass das Areal bebaut werden konnte. Das soll sich ändern. Die politisch Verantwortlichen der Stadt Bürstadt wollen ihren Bürgern die Industriebrache „Oli II“ nicht mehr länger zumuten und neuen, attraktiven Wohnraum schaffen. „Der Wohnungsdruck in Bürstadt ist hoch“, sagt Bürgermeisterin Barbara Schader. „Mit der Reaktivierung und Bebauung von Oli II können wir eine innerstädtische Industriebrache einer sinnvollen Nutzung zuführen, die Entwicklung der Innenstadt vorantreiben und darüber hinaus im Sinne der Nachhaltigkeit vermeiden, Flächen auf der grünen Wiese zu beanspruchen.“
Machbarkeitsstudie als Grundlage für geplante Konversion
Die Grundlagen sind geschaffen: 2018 hat die Bauland-Offensive des Landes Hessen (BOH), eine Tochter der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW), im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft, ob die Entwicklung von preisgünstigem Wohnraum realisierbar wäre und einen Weg aufgezeigt, wie dies trotz der schwierigen Ausgangslage gelingen kann. Das Ergebnis der Studie: Denkbar wären ca. 105 Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau. Etwa 30 Prozent der Wohnfläche im Geschosswohnungsbau könnten geförderter Wohnraum werden, weitere 30 Prozent barrierefreie Wohneinheiten zu günstigen Preisen. Im Juni 2020 hat die Stadt Bürstadt die Fläche nach langjährigen Bemühungen erworben und sich dazu verpflichtet, die altlastenverseuchte Industriebrache auf eigene Kosten abzureißen, die Grundstücksflächen zu entsiegeln, den entstehenden Abfall zu entsorgen und den mit Schadstoffen kontaminierten Boden auszutauschen.
Der Schlüssel für eine Realisierung ist die Unterstützung durch EU- und Landesmittel: Unterschiedliche Förderprogramme sowie eine Vereinbarung mit dem Land Hessen greifen ineinander, um das Projekt im Sinne einer nachhaltigen und sozialverträglichen Wohnquartiersentwicklung bestmöglich zu unterstützen.
Bürstadt und BOH wollen Projekt gemeinsam stemmen
Bürstadt beabsichtigt die Konversion gemeinsam mit der BOH zu realisieren. Damit unterstützt die Kommune die Bestrebungen des Landes Hessen, mehr bezahlbare Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung zu schaffen. „Bürstadt ist ein Vorzeigeprojekt“, sagt Gregor Voss, Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung Hessen Süd bei der NHW und zuständig für die BOH. „Wir unterstützen Städte und Gemeinden bei der Beseitigung von Hemmnissen und der Entwicklung von baureifen Arealen und setzen so Brachflächen wieder in Wert, die sonst nie entwickelt worden wären. Wir freuen uns, dass dieses Knowhow in Bürstadt zum Tragen kommt.“
Nächster Meilenstein ist der Abschluss des EU-weiten Vergabeverfahrens im Frühjahr 2021 mit einer geplanten Beauftragung der Ingenieurleistungen für den Rückbau der Gebäude und für die Altlastensanierung sowie der Abschluss des bereits begonnenen Bauleitplanverfahrens. Zur Sicherung sozialer sowie wohnungspolitischer Zielvorgaben der Stadt Bürstadt sollen die Grundstücke Anfang 2023 im Rahmen einer Konzeptvergabe vergeben werden. Auf diese Weise können städtische Belegungsrechte für bezahlbare Wohnungen bedarfsgerecht gesichert werden.
Hintergrund
Die „OLI I“ und „OLI II“ genannten Grundstücke befinden sich auf dem ehemaligen Betriebsgelände des metallverarbeitenden (und namengebenden) Betriebs Otto Limburg OHG Edelstahltöpfe in Bürstadt. Weil das Unternehmen 1987 insolvent ging, konnte es nicht für die Beseitigung der leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffe (LCKW), die damals während der Produktion in Boden und Grundwasser gelangt waren, herangezogen werden. Durch komplizierte Eigentumsverhältnisse war das auch bei dem späteren Besitzer der Fall – diese verhinderten zudem, dass das Grundstück Oli II zwangsversteigert wurde. OLI I wurde ab 1995 untersucht, saniert und 2012 mit Wohnungen bebaut.